HKR 2017

„Je schwieriger die Strecke, desto mehr Spaß hab ich!"

25.01.2017

Christof Innerhofer im Interview mit Marco Büchel

Zwei Olympia-, drei WM-Medaillen, sechs Weltcup-Siege: Christof Innerhofer hat gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Was dem Südtiroler noch fehlt? Die Gondel in Kitz! Aber kein Stress. Nach harten Jahren fühlt sich der 32-Jährige nun stärker als je zuvor. Ein Gespräch über Leidenschaft, Adrenalin und die Kunst des Wartens.

Deine Leidenschaft fürs Rennfahren – wie würdest du sie erklären? CHRISTOF INNERHOFER: Für mich ist Skifahren mein Leben! Ich will den Adrenalinkitzel am Start und den Willen, der Beste zu sein, noch lange nicht missen. Obwohl ich schon meine Medaillen und viele schmerzhafte Jahre erlebt hab – ans Aufhören denke ich nie! Am liebsten würde ich noch im Alter Rennen fahren. Wie für ein Kind die Achterbahn, so ist für mich die Abfahrt. War das schon immer so? Ich hab, wie wohl alle, die im Weltcup sind, auch andere Sportarten ausprobiert: Eishockey, Ski, Tennis, Fußball. Am Schluss bin ich beim Skifahren geblieben, weil’s mir am meisten Spaß gemacht hat und da am meisten aufgegangen ist. Wenn dir etwas gefällt, ist es viel einfacher, gute Resultate zu bringen. Das war in der Schule so, das ist beim Skifahren so. Sicher waren viele Höhen und Tiefen dabei. Dinge, die mich geprägt haben.

Und zwar? Ich habe früher am Bau gearbeitet. Bei einem solchen Job siehst du, wie privilegiert du bist: Die Eltern kaufen dir Ski, schreiben dich in der Sportschule ein und es ist normal, dass du Ski fahren kannst, wann du willst. Plötzlich siehst du, was es heißt, zu arbeiten, Geld zu verdienen, einen geregelten Tagesablauf zu haben. Wir wissen es oft gar nicht zu schätzen, was es heißt, Athlet zu sein. Wir wachsen ja da hinein – und das ist ein Problem. Wie lange hast du auf dem Bau gearbeitet? Zwei Jahre vom Frühling bis zum Herbst und dann noch zwei Jahre manchmal. In dem Jahr, in dem ich in den Weltcup gekommen bin, auch noch ab und zu. Das war 2006.

Und als was? Ich hab alles gemacht! Am ersten Tag musste ich zum Beispiel zehn Stunden lang ein Gerüst abbauen. Ich war im Herbst fitter denn je. Wenn du den ganzen Tag Eimer voll mit Beton in den dritten Stock tragen musst, weil die einen Balkon gießen mussten und dort keine Mischmaschine gestanden ist, geht schon was weiter. Da bist du den ganzen Tag am Anpacken, das ist nicht so, als wenn du in den Kraftraum gehst und zehnmal Bank drückst. Ich hatte eine ganz andere Kraft gehabt. Wenn du Fotos anschaust vom Jahr davor, war ich plötzlich einfach – ein Mann.

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Kommen wir zurück zum Sport: Du hast als Allrounder begonnen, jetzt liegt dein Fokus auf den Speed-Disziplinen. Warum? Ich war in allen Disziplinen unterwegs und das möchte ich auch wieder, weil mir die Abwechslung gefällt. Leider war das in den letzten Jahren wegen meiner Rückenprobleme nicht möglich. Aber mein erstes Weltcup-Rennen war ein Slalom, 2006 in Levi. Was ich im ersten Jahr lustigerweise nicht so mochte, war die Abfahrt. Aber da musste ich durch, weil ich ja auch Super-Gs gefahren bin. Also hab ich euch damals um 1000 Tipps gefragt. Dich, den Cuche, den Maier. Da waren ein paar dabei, denen ich sofort aufgefallen bin, und das nicht wegen der Resultate …

Ich kann mich erinnern. Aber hast du tatsächlich auch Hermann Maier gefragt? Ja, den vor allem. Weil der immer der Letzte war bei der Besichtigung, bin ich einfach hin und hab ihn gefragt, wie man da fahren muss. Von uns hat sich das während der Besichtigung keiner getraut … Ich hab mir gedacht, ich probier’s. Und es hat mir geholfen. Denn er ist ja den Hang zu dem Zeitpunkt schon 30-mal runtergefahren gewesen. Der wusste also, was ich noch nicht wusste, die kleinen Tricks.

Und die hat er dir verraten?! Na ja, den musste ich manchmal schon dreimal fragen. Ich blieb aber hartnäckig, was konnte schon passieren? Im schlimmsten Fall schickt er mich weg …

Kitzbühel, Bormio etc., wir reden da schon von Abfahrten, für die man nicht nur Technik, sondern auch viel Mut braucht! Ich hab das nicht einmal so empfunden! Je schwieriger die Strecke, desto mehr Spaß hab ich.

Wie in Kitzbühel? In Kitzbühel ist mir nie richtig der Knopf aufgegangen, außer im Training. Ich bin einmal Dritter geworden im Super-G, aber in der Abfahrt hab ich einfach nie was zusammenbekommen. Meistens haben die Verhältnisse gewechselt und ich bin nicht bei allen gut. Die beste Form hatte ich im Jänner 2013, da hatte ich Startnummer 46. Damals hab ich mir gewünscht, dass ich das Rennen meines Lebens fahren werde. Was leider nicht so war.

Woran liegt’s? Mir fehlen oft die ersten 30 Sekunden in Kitzbühel, die bei mir immer den Unterschied machen, weil der Start so oft verschoben wird. Es ist komisch: Wenn mir wer gesagt hätte, dass ich zehn Jahre im Weltcup fahren werde, hätte ich gesagt: Gut, dann schaff ich Kitzbühel auch. Es hat immer irgendwas nicht gepasst. Einmal hatte ich zu scharfe Kanten, einmal bin ich ins Netz rein. Wie verhext.

Wie ist dein Gefühl im Starthaus, wo all die Bilder von den Legenden hängen? Ich hab mir immer gedacht: Puh, das ist Geschichte, da wird einem erst alles bewusst. Ja, das denkst du, weil du gewonnen hast. Auf die Bilder schau ich gar nicht, denn da bin ich nicht drauf!

Du hast dann ja doch noch ein paar Jahre. Heute gefragt: Wie lange gibt es dich noch im Weltcup? (lacht.) Dein Alter schlag ich!

Da musst du noch ein wenig durchhalten. Ich war 38,5 … Heuer haben mich im Sommer zwei, drei Leute gefragt: Ja sag einmal, fährst du noch? Sag ich: Jaja, frag mich das in zehn Jahren noch einmal. Wenn sie mich fragen, ob ich bei den nächsten Olympischen Spielen dabei bin, sag ich: Ja, auch bei den übernächsten! Die besten Athleten sind die, die es nicht lassen können. Was das heißt? Dass die mehr Leidenschaft haben.

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Du hast in Kitzbühel also noch viele Chancen, deine Bilanz zu korrigieren. Ja, aber deshalb setz ich mich nicht unter Druck. Ich mag Kitzbühel sehr gern und hab dort schon viele schöne Sachen erlebt. Von Blödsinn am Abend bis hin zu coolen Trainingsfahrten und Rennen. Ich war ja Fünfter – Fünfter auf der Streif! Und ich hab dort auch gern gefeiert …

Jaja, das Nachtleben in Kitzbühel kann schon was … Ich kann mich erinnern, ich bin einmal Superkombi gefahren und am Tag davor um sechs in der Früh heimgekommen. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich professionell bin, 365 Tage im Jahr. Aber damals hat sich’s einfach ergeben. Und ich bin gar keinen schlechten Slalom gefahren: Mit Nummer 70 hab ich's knapp nicht unter die 30 geschafft.

Das würde vielleicht bedeuten, du solltest mehr feiern vor den Rennen? Nein, ich feiere gern, drei- oder viermal im Jahr. Da fahr ich dann auch mit Freunden aufs Oktoberfest, letztes Jahr war ich auch beim Beachvolleyball Grand Slam in Klagenfurt. Das war cool und mega, aber dann hab ich auch wieder genug.

Du steckst aber auch viel Zeit in dein Image. Zum Beispiel modelst du in Unterwäsche für Intimissimi. Wärst du kein Sportler, würde dein Körper anders aussehen? Wenn ich Intimissimi als Sponsor hätte, dann sicher nicht. Diese Kampagne hat mir dabei geholfen, noch besser in Form zu bleiben. Logisch, dass ich perfekt sein will, wenn ich solche Shootings mache. Ich bereite mich vor wie auf ein Rennen.

Und zwar? Zwei Monate vor dem Shooting trainierst du mehr Oberkörper, mehr Bauchmuskeln. Ich bin zwar kein Süßer, aber du schaust viel mehr aufs Essen. Und die letzten ein, zwei Tage sind nicht mehr schön. Da geht’s dir wie einem Victoria’s-Secret-Model. Da verlierst du schon ein paar Kilos innerhalb kurzer Zeit.

Bist du ein Perfektionist? Ja, das bin ich schon. Wenn ich nicht alles getan hab, was ich machen will, hab ich ein schlechtes Gewissen. Ich bin schon ein Genauer! Die letzten Jahre waren mein Image und meine Sponsoren besser als meine Resultate. Deshalb ist es heuer höchste Zeit, da ein wenig nachzulegen!

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