Eine heiße Nummer: Das Abfahrtstrikot der Hahnenkamm-Rennen
Freitagabend, kurz nach 18:00 Uhr: Soeben ist die Startnummern-Auslosung für die morgige Königsabfahrt zu Ende gegangen. Während sich die Athleten nun in ihre Quartiere zurückziehen und Entspannung suchen, geht es für Andreas Wilhelm erst so richtig los: „Der Tiroler Andi“ – wie er gerne genannt wird – und sein dreiköpfiges Team von Stickdesign erbringen nun in einer kleinen Kammer im Kitzbüheler Rennbüro Höchstleistung. Sie müssen rund 70 Startnummern für die Abfahrt bedrucken.
Einmalig im Weltcupkalender: „Nur bei der Abfahrt auf der Streif bekommen die Athleten ein eigenes Trikot mit Nummer und Namen“, klärt Wilhelm auf. „Bei jedem anderen Rennen müssen sie die Leibchen zurückgeben – hier dürfen sie sie behalten.“
Auch diese Besonderheit macht die Hahnenkamm-Rennen so speziell. Die Rennfahrer wissen das zu schätzen: „Viele haben schon vier, fünf Trikots von Kitzbühel daheim, die sie auf die Wand hängen. Für sie sind das tolle Erinnerungsstücke.“
Doch nicht jeder Athlet behält sein bedrucktes Trikot– aus gutem Grund: „Bode Miller hat einmal nach seinem Kombi-Sieg im Londoner gefeiert und sein Trikot versteigert. Er hat 3.500 Euro dafür bekommen. Die hat er für einen guten Zweck gespendet“, erinnert sich Wilhelm.
Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der Hahnenkamm-Startnummern: Ihr spezielles Design. Jahr für Jahr senden Grafikagenturen etliche Vorschläge an Red Bull. Das Unternehmen sucht dann mittels einer eigenen Kommission den besten Entwurf aus. „Nachdem wir heuer die 80. Hahnenkamm-Rennen haben, ist auf der Seite die Jubiläumszahl drauf“, zeigt sich Wilhelm vom heurigen Design angetan.
Natürlich geht es aber nicht nur um das Optische: „Die Startnummern müssen bi-elastisch sein. Das heißt, sie müssen in alle Richtung dehnbar sein, ohne zu reißen.“ Das ist aber nicht die einzige Sorge der Trikot-Hersteller: „Das Material muss auch extreme Temperaturen und Geschwindigkeiten aushalten: Stell dir vor, das Trikot verliert bei Minus zehn Grad und 100 km/h die Nummer. Das wäre für uns eine Katastrophe“.
Die ist aber bislang nie eingetreten: Seit 14 Jahren leisten Andreas Wilhelm und sein Team nämlich höchste Präzisionsarbeit. Das Bedrucken der Startnummern erledigt die Firma übrigens nur mit Druckpressen und ohne Hilfsgeräte: „Irgendwann geht das mit dem freien Auge. Da legst du die Nummer drauf und weißt, dass sie richtig liegt - genau in der Mitte.“
Vier Stunden dauert die Druck-Arbeit am Freitagabend. Dann sind sie für die Abfahrt am Samstag einsatzbereit. Einer, der seine Startnummer heuer leider nicht verwenden kann, ist Dominik Paris. Der Topfavorit aus Italien verletzte sich bekanntlich schwer im Training und fällt für den Rest der Saison aus. Sein Trikot bekommt er trotzdem: „Als wir das vom Domi erfahren haben, hat mich sofort Red Bull angerufen. Sie haben gesagt, ich soll bitte sofort das Trikot zum Starthaus bringen, damit es alle Athleten unterschreiben können“, sagt Wilhelm. Paris hat dann die Startnummer mit den Genesungswünschen erhalten. Eine altbewährte Tradition bei den Hahnenkamm-Rennen.
Nun blickt Wilhelm gespannt auf die Königsabfahrt. Denn auch wenn der Trikot-Druck erledigt ist, ist es für Entspannung noch zu früh. „Erleichtert bin ich erst, wenn die Rennen gut gegangen sind, die Startnummern gehalten haben und kein Name gefehlt hat.“ Die Chancen dafür stehen gut – hat doch der „Tiroler Andi“ die Startnummern wie immer mit höchster Sorgfalt bedruckt.
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