HKR 2017

"Kitzbühel hat etwas mythisches."

"Kitzbühel hat etwas mythisches."
18.01.2017
Franz Klammer, 2004 hat Stephan Eberharter einen Traumlauf auf der Streif hingelegt. Wie hast du das damals miterlebt? Franz Klammer: Ich bin begeistert im Ziel gestanden, wie so viele andere. Es war eine großartige Fahrt. Und umgekehrt? Stephan, wie hast du die Klammer-Siege erlebt? Stephan Eberharter: Da war ich noch sehr jung, aber ich erinnere mich an den Olympiasieg in Innsbruck noch genau. Wir hatten zuhause unsere erste Stereoanlage und ich hab auf Kassette die Radioübertragung aufgenommen und über Jahre immer wieder angehört. Die Siegerzeit vom Franz damals weiß ich heute noch. Aber was anderes: Habt's ihr den Trainingsunfall heute vom Otmar Striedinger gesehen? Dem hat es glatt die Bindung abgeschlagen. Klammer: Zum Glück ist nichts schlimmes passiert. Die Steilhangausfahrt ist nicht nur die schwierigste Kurve in Kitzbühel, sondern meiner Meinung nach im gesamten Weltcup. Das mit der Bindung ist mir mal vor der Mausefalle passiert: Eine kleine Welle und hopp, war mein Ski weg. Eberharter: Solange dir nicht wie beim Franz Heinzer bei der Olympiaabfahrt beim Anschieben am Start die Bindung aufbricht, ist alles in Ordnung (lacht). Was gehen euch denn heute beim Reinfahren nach Kitzbühel für Gedanken durch den Kopf, was macht Kitzbühel für euch aus? Eberharter: Es hat etwas Mythisches. Diese Kombination aus Tradition, den Zuschauern und der Strecke ist einzigartig. Klammer: Das Spannende ist: Für den normalen Skifahrer ist die Streif unfahrbar, anders als die Strecken in Wengen oder Gröden. Umso größer ist die Anziehungskraft für die "normalen" Menschen, den Rennläufern dabei zuzusehen, wie sie sich hinuntertrauen. Eberharter: Stimmt genau. Ich hör auch immer nur, dass wir ja alle wahnsinnig sein und das Hirn ausschalten müssen. Da erwidere ich dann immer: Wir haben das Rennfahren nicht von heute auf morgen gelernt, sondern machen das seit der Kindheit und außerdem würden wir auf der Streif nie unser Hirn abschalten. Klammer: Wer das Hirn ausschaltet, macht einen großen Fehler. Das ist genauso wichtig wie die Oberschenkel. Stephan, lass uns nochmal über 2004 sprechen: Hast du damals schon gewusst, dass dieser Lauf in dir steckt? Eberharter: Die letzten drei Jahre meiner Karriere waren meine besten. Ich hab 2004 eigentlich gewusst, dass es mein letztes Rennen wird und war daher noch galliger auf den Titel. Zwei Tage vorher im Training habe ich beobachtet, wie Daron Rahlves, damals mein größter Konkurrent, eine ganz enge Linie an der Hausbergkante gefahren ist, ganz anders als die anderen Läufer. Das habe ich auch umgesetzt und die entscheidenden Zehntelsekunden herausgeholt. Klammer: Das hat der Stephan damals richtig erkannt. Im unteren Teil ist viel Zeit drin. Aber ist man nach 1:35 Minuten Fahrtzeit nicht schon konditionell am Ende? Eberharter: Ich hab nie Probleme gehabt und ich würde sagen, dass die Weltcup-Läufer heute auch fit genug sind, um das gut zu meistern. Wenn du nicht fit genug bist, brauchst du über einen Sieg sowieso nicht nachdenken. Reden wir ein wenig über die nicht so bekannten Streckenteile. Das Gleitstück nach dem Steilhang lädt ja zum Entspannen ein, oder? Eberharter: Das glaubt ihr vorm Fernseher immer (lacht). In Wahrheit versuchst du alles, um so gut zu gleiten wie möglich und ehrlich gesagt: Kein Stück Strecke auf der Streif geht so schnell vorbei wie der Ziehweg da oben. Klammer: So schnell kannst du gar nicht schauen und schon bist du in der Alten Schneise, auch so ein unterschätzter Abschnitt. Der ganze Hang hängt so komisch nach rechts weg und du solltest eigentlich möglichst geradeaus fahren, anstatt abzurutschen. Eberharter: Wir sind das oft anders gefahren als ihr damals, Franz. Zu meiner Zeit sind wir teilweise aktiv nach links gesprungen und haben uns dann vom Hang nach links runterziehen lassen. So hatten wir den Speed und haben ein bisschen Kraft gespart. Also ist das die unscheinbarste Stelle, an der man Zeit liegen lassen kann? Klammer: Zu meiner Zeit war die Einfahrt in den Lärchenschuss fast noch wichtiger. Da ist es immer wellig und wenn du da Speed verlierst, wirkt sich das bis zur Hausbergkante auf. Eberharter: Ich würde sagen, von der alten Schneise bis zur Hausbergkante kann man fast eine Sekunde gewinnen oder verlieren. War die Strecke früher eigentlich herausfordernder als heute? Klammer: Das kann man schwer vergleichen. Zu meiner Zeit hatten wir nur Naturschnee, das heißt es war deutlich welliger und du hattest sowohl Passagen mit Pulverschnee als auch blankes Eis. Heute ist das natürlich eben und hunderte Male geglättet. Dafür sind die Kurvengeschwindigkeiten heute höher. Ich würde sagen: Toni Sailer ist zu seiner Zeit am Limit gefahren, ich bin es zu meiner, der Stephan zu seiner und die Burschen heute tun auch ihr bestes. Skifahrer verbringen die Zeit zwischen den Rennen heute sehr professionell - war das Hahnenkamm-Wochenende zu eurer Zeit entspannter?  Klammer: Das kann man schon so sagen. Wir haben zwar auch außerhalb gewohnt, etwas abseits des Trubels in der Stadt, aber auf Sachen wie Ernährung mussten wir nicht achten. Wir sind zweimal im Training gefahren, dann haben wir uns ins Cafe Praxmair gesetzt, dort Apfelstrudel gegessen, Video geschaut und dann sind wir am nächsten Tag das Rennen gefahren. Das heißt, ihr habt es damals vielleicht mehr genießen können?  Klammer: Heute haben die Athleten viel mehr Aufgaben außen herum. Die müssen Pressekonferenzen geben, zur Siegerehrung - da bleibt vielleicht weniger Zeit für Entspannung. Genießen kann man das Ganze dann in meinem Alter (lacht). Eberharter: Genauso war das nach meinem Sieg 2004. Alle glauben, wir feiern die ganze Nacht, aber ehrlich gesagt war ich nach Pressekonferenz, Siegerehrung, ORF-Studiobesuch, Dopingkontrolle und VIP-Zelt um halb zwölf hundemüde im Bett.